1. Juli
Wenn du nach neuen Einfällen suchst,
mach einen Spaziergang.
Wer spazierengeht, zu dem sprechen die Engel.
Raymond Inmon
Wir alle suchen hin und wieder nach neuen Ideen. Es kommt vor, daß wir
ein Problem haben, das uns schwer belastet - oder daß wir einfach
schlechter Laune sind. Immer dann ist es an der Zeit, uns Aufmunterung
zu verschaffen. Dies löst zwar das Problem nicht, aber es bringt neuen
Wind in unser Denken. Gerade, wenn wir uns schlecht fühlen, achten wir
nicht genug auf unser Wohlbefinden und vergessen, daß eine positive
Umgebung auch unsere Stimmung heben würde, ganz gleich, wie schwer
unser Problem ist. Wir müssen unsere ganz individuelle Möglichkeit
herausfinden, wie wir uns aufheitern können. Wir müssen entdecken, was
wir tun müssen, damit auch zu uns die Engel sprechen. Was wir zu
unserer Aufmunterung tun, sollte einfach, billig und täglich verfügbar
sein. Spazierengehen ist eine gute Möglichkeit - wie Lesen oder der
Besuch eines Vortrags. Manche Männer entdecken, daß neue Hobbies - sei
es Basteln, bewußtes Beobachten der Natur oder Heimwerken - ihnen als
Aufmunterung dienen können. Wichtig ist, daß wir eine Weile völlig
abschalten, all unsere Ziele und Probleme beiseite schieben, um so für
neue Ideen offen zu werden.
Heute will ich mir eine kreative Pause gönnen und mich von meinen
Sorgen lösen.
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2. Juli
Fairneß heißt: anderen nicht die Schuld für das zuzuschieben,
was bei uns nicht in Ordnung ist.
Eric Hoffer
Als Erwachsene übernehmen wir die Verantwortung für unsere Gefühle
und unsere Lebensumstände. Zwar haben wir uns unsere Probleme nicht
ausgesucht, aber es ist unsere Aufgabe, sie zu lösen. Wenn einer
stürzt und sich das Bein bricht, sagt er vielleicht: "Der andere ist
schuld. Er muß für den Schaden aufkommen." Aber das heilt sein Bein
nicht. Die Heilung muß aus ihm selbst kommen.
Wenn wir versuchen,
anderen die Schuld zu geben, ist das nichts weiter als der Versuch,
unsere eigene Verantwortung abzuschieben. Wir sind übertrieben
kritisch geworden. Wir wollen unbedingt, daß jemand anderes schuld an
unserem Schmerz hat. Aber mit dieser Taktik verzögern wir nur unsere
eigene Heilung. Wir brauchen die Schuld auch nicht bei uns selbst zu
suchen. Unser Weg sieht vielmehr so aus: Wenn wir anfangs unser
Unbehagen wahrnehmen und tatsächlich bereit sind, verantwortlich damit
umzugehen, bemerken wir unseren inneren Impuls, wieder davonzulaufen.
Wenn es uns gelingt, unser Unbehagen auszuhalten, tritt die Heilung
durch unser Annehmen ein. Ein Gefühl
der Ganzheit überkommt uns, das Gefühl, ein Mensch zu sein, der
endlich erwachsen ist.
Heute bitte ich darum, niemandem die Schuld zu geben -
weder mir selbst, noch einem anderen.
Statt dessen will ich
ein starker, verantwortungsbewußter Mann sein.
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3. Juli
Vitalität zeigt sich nicht nur im Durchhaltevermögen,
sondern vor allem in der Fähigkeit,
immer wieder von vorn anzufangen.
F. Scott Fitzgerald
Wenn jemand mit seinem Auto mitten auf den Gleisen steht, weil der
Motor abgestorben ist, und den Zug herannahen sieht, muß er alles
daransetzen, den Wagen wieder zu starten. Wer in dieser Situation
untätig bleibt, kommt um.
Viele Situationen erfordern, daß wir uns energisch durchsetzen, in
anderen hingegen müssen wir aufgeben und wieder von vorne anfangen. Zu
Beginn unseres Genesungsprozesses konnten viele von uns nicht
unterscheiden, wann sie durchhalten und wann sie neu anfangen mußten.
Vielleicht ging es uns sogar so, daß wir in jeder Herausforderung
verbissen durchhalten wollten. Unsere Zuflucht bestand dann in unseren
abhängigen Beziehungen und in unserer Sucht.
Oft sehnen wir uns danach, daß Gott ganz klar zu uns sagt: "Diesmal
mußt du loslassen!" oder "Jetzt mußt du durchhalten!" Aber das ist
nicht die Art und Weise, in der unsere Höhere Macht zu uns spricht.
Wir können üben, uns nicht automatisch jeder Herausforderung bis zum
Ende stellen zu wollen. Wir können lernen, die Wahrheit und Vitalität
zu erkennen, die darin liegt, noch einmal von vorne anzufangen. Unsere
Genesung ist ein gutes Beispiel dafür. Allmählich entwickeln wir eine
Beziehung zu unserer Höheren Macht, die uns dabei hilft, den
Unterschied zu erkennen. Auf unserem Weg entdecken wir immer mehr
Möglichkeiten, ein gesünderes Leben zu führen.
Heute will ich nicht unbedingt darauf bestehen durchzuhalten.
Vielmehr werde ich darauf achten, ob sich eine Gelegenheit zum
Loslassen bietet.
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4. Juli
Freiheit heißt: Das Recht darauf haben, anders zu sein,
das Recht, man selbst zu sein.
Ira Eisenstein
Jeder von uns ist einmalig und besitzt seine individuellen
Fähigkeiten, die er zum Leben beitragen kann. Früher waren wir nicht
frei. Wir waren Sklaven unserer Süchte und Abhängigkeiten. Wir wissen,
daß Freiheit kostbar ist. Unser Verlangen nach Konformität und unsere
Zwänge engen unsere Kreativität ein und nehmen uns unsere Würde.
Während unsere Beziehung zu unserer Höheren Macht stärker wird, finden
wir mehr inneres Gleichgewicht, entdecken unsere individuellen
Fähigkeiten und werden stärker. Manche von uns können sich besonders
gut in andere Menschen einfühlen, manche haben ein ausgeprägtes Talent
für Literatur und Kunst, andere für Sport und körperliche Aktivitäten.
Es gibt kein Rezept, das uns vorschreibt,
wie wir am besten sein sollten. Weil wir freie Menschen sind, ist es
unsere Aufgabe herauszufinden, was es bedeutet, ehrliche, wahrhaft
männliche, engagierte Männer zu sein. Wir erhalten keine Liste mit
Anweisungen für jeden Tag, aber wir bekommen Richtlinien für unseren
Heilungsprozeß. Durch Gruppen und Freundschaften entwickeln
wir uns auf unsere eigene Art und lernen, gegenseitig unsere Freiheit
zu respektieren.
Ich bin dankbar für die Freiheit, die darin liegt,
daß ich einmalig und vollkommen ich selbst bin.
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5. Juli
Wir werden Zustände der Seele beschreiben, die sich mit Worten
nur andeuten lassen. Wir werden gezwungen sein, mit Hilfe der Logik
Bereiche aufzuspüren, die sich unserer Logik entziehen.
Huston Smith
Im spirituellen Leben machen wir die Erfahrung, daß Worte und Logik
manche Wahrheiten nur andeuten können. Worte können nicht die
vollständige Wahrheit wiedergeben, die die Erfahrung uns lehren kann -
vergleichbar dem Unterschied, der darin liegt, ein Anglerbuch zu lesen
oder wirklich auf dem Wasser zu sein, die feuchte Luft einzuatmen und
den Fisch am Haken zu spüren.
Spirituelle Entwicklung ist eine Art Erziehung. Wir entwickeln die
Anteile in uns, die durch Erfahrung lernen, den Teil unserer
Persönlichkeit, der intuitiv erfaßt, ohne genau zu wissen, woher er
sein Wissen bezieht, der Geschichten und Gleichnisse besser versteht
als Statistiken. Ganz allmählich lernen wir zu akzeptieren, daß vieles
in unserem
Leben geheimnisvoll bleibt und sich nicht in bestimmte Kategorien
einordnen läßt. Viele Erfahrungen haben eine tiefere Bedeutung, als
Fakten es ausdrücken können. Während wir unsere spirituelle Seite
entwickeln, vernachlässigen wir weder die Vernunft noch den gesunden
Menschenverstand. Wir werden Menschen, die mehr seelischen Tiefgang
besitzen.
Heute will ich meiner Intuition mehr Freiraum lassen.
Das wird mein spirituelles Ich in seinem Wachstum fördern.
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6. Juli
Ist der, der unser Ohr geschaffen hat, unfähig zu hören?
Ist der Schöpfer unseres Auges unfähig zu sehen?
Psalm 94,9
Es bleibt uns teilweise verborgen, wie es dazu kam, daß wir unseren
spirituellen Weg einschlugen. Wir sind Teil eines größeren Ganzen.
Diese Erkenntnis haben wir dadurch gewonnen, daß wir bereit waren, das
Unerklärliche in unserem Leben anzunehmen. Und es gibt noch mehr in
dieser Welt, das wir nicht erklären können. Wenn wir das größere Ganze
akzeptieren, finden wir unsere seelische Gesundheit
wieder. Wir sind keine Einzelwesen in einer getrennten Welt. Unsere
Existenz ist Teil der ganzen Schöpfung. Wir sind ohne unser Zutun aus
einer Vergangenheit auf diese Welt gekommen, an die sich niemand
erinnert. Solange wir das nicht einsehen wollten und unser Schicksal
als Einzelschicksal betrachteten, befanden wir uns in einer schweren
Krise und in tiefem Schmerz. Jetzt aber werden wir dadurch geheilt,
daß wir uns jeden Tag, jede Stunde klarmachen, daß unser Wille nichts
beherrscht und nicht verantwortlich ist.
Ich bin dankbar für das Wunder meiner Genesung.
Ich nehme dieses Wunder an und sehe es als Teil der Welt,
die ich nicht unter Kontrolle habe.
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7. Juli
Wer seelisch gesund ist, hat gelernt,
wann er "ja" und wann "nein" sagen muß,
und wann er einfach "juchhu!" rufen kann.
Willard S. Krabill
Wir hatten soviele Schwierigkeiten, weil wir unsere persönlichen
Grenzen schlecht definiert hatten. Manche von uns haben nie gelernt,
zu ihrer Mutter "nein" zu sagen und fühlten sich dadurch von ihr
beherrscht und vereinnahmt. In bezug auf unseren Vater gilt das
gleiche. Wenn wir ihm gegenüber nie "nein" sagen konnten, war es uns
nicht möglich, uns zu erwachsenen Menschen zu entwickeln. Es gibt auch
Menschen, die in der "Nein"-Phase steckengeblieben sind und die nie
gelernt haben, nachzugeben und "ja" zu sagen.
Die Schwierigkeiten mit den persönlichen Grenzen haben viele Bereiche
unseres Lebens bestimmt. Entweder haben wir uns eingeredet, wir hätten
kein Recht, "ja" oder "nein" zu sagen, oder wir bildeten uns ein, wir
wären stark genug, uns für einen anderen Menschen aufzuopfern, und
waren sogar froh, vor uns selbst davonlaufen zu können,
indem wir uns nicht für "ja" oder "nein" entscheiden mußten. Nicht
"nein" zu sagen, wenn es nötig war, und nicht "ja" zu sagen, wenn wir
es wollten, hat uns krank gemacht. Es hat uns vielleicht sogar vor den
Richter oder ins Gefängnis gebracht. Arbeitslosigkeit, Scheidungen und
schlechte Ehen hängen mit dieser Unfähigkeit zusammen.
Nun aber zeigt uns die innere Stimme unserer Höheren Macht, wo unsere
Grenzen sind, und sie ermutigt uns, für sie einzustehen.
Ich bin dabei, mich selbst kennenzulernen,
indem ich meine Grenzen finde und mich entscheide,
wann ich sie überschreiten will und wann nicht.
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8. Juli
Er wurde von allen Familienangelegenheiten ausgeschlossen.
Niemand sagte ihm irgend etwas. Die Kinder erzählten der Mutter alles,
wenn sie mit ihr allein waren. Über jedes Tagesereignis berichteten
sie ihr.. . Aber sobald der Vater zur Tür hereinkam, verstummten sie
sofort.
D. H. Lawrence
Wir Männer sind oft aus unserer Familie ausgeschlossen.
Die Nähe zwischen unseren Kindern und unserer Frau scheint uns oft
schöner und viel vertrauter als die Beziehung, die wir zu ihnen haben.
Vielleicht gleicht diese Beziehung der, die wir als Kind zu unserer
Mutter hatten, wenn der Vater abwesend war. Es tut uns weh, das zu
beobachten, und wahrscheinlich ist es nicht allein unser Fehler. Man
hat uns beigebracht, daß es unsere oberste Pflicht sei, das Geld für
die Familie zu verdienen. Es liegt an uns, dies zu ändern.
Viele von uns haben von ihrem Vater gelernt, daß ein erwachsener Mann
sich besser nicht auf Gefühle einläßt. Aber gerade das hat unseren
Beziehungen geschadet und uns den Menschen entfremdet, an denen uns am
meisten liegt. Wenn wir unsere Gefühle besser erkennen und ausdrücken
lernen, hilft uns das, in den vertrauten Kreis der Familie aufgenommen
zu werden.
Heute will ich meinen Gefühlspanzer gegenüber meiner Familie
fallen lassen, damit mich meine Kinder und meine Frau besser
kennenlernen können.
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9. Juli
Wenn du versuchst, den Menschen die Folgen ihrer Verrücktheit zu
verschweigen, kommt dabei letzten Endes eine Welt voller Narren
heraus.
Herben Spencer
Wie oft wünschen wir uns, wir könnten einen Freund oder einen
geliebten Menschen vor den Folgen seines Handelns schützen! Am
liebsten würden wir hingehen und die Scherben auflesen, wenn er sein
Leben zerstört hat.
Wir neigen dazu, die dunklen Seiten seiner Motive zu übersehen, weil
wir ja nur "sein Bestes" wollen.
Vielleicht ist es unser kontrollierender Durchsetzungswille, der
versucht, die Dinge so zu beeinflussen, wie wir sie wollen, anstatt
sie so zu nehmen, wie sie wirklich sind. Im Prozeß unserer Genesung
entwickeln wir eine tiefere Liebe, die es uns ermöglicht, anderen
gegenüber respektvolle Distanz zu wahren. Wenn uns wirklich etwas an
einem Menschen liegt, halten wir ihn nicht davon ab, aus seinen
eigenen Erfahrungen zu lernen. Wenn wir zulassen, daß die Menschen,
die uns nahestehen, selbst mit den Konsequenzen ihres Handelns
konfrontiert werden, lernen und reifen sie wie wir. Wir können einem
Freund zur Seite stehen, aber wir sind nicht seine Höhere Macht.
Heute will ich anderen Menschen gegenüber voller Respekt sein,
indem ich sie ihren Weg gehen lasse, so wie ich meinen eigenen gehe.
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10. Juli
Ängste sind uns anerzogen worden und, wenn wir wollen, können
sie wieder "aberzogen" werden.
A. Menninger
Es gibt zwei Schwierigkeiten, mit denen die meisten von uns in
diesem Programm zu kämpfen haben: Angst und mangelndes Vertrauen.
Viele von uns haben unbewußt ihre Ängste verstärkt, indem sie immer
wieder in sie verfallen sind.
Ist es auch bei mir so? Mache ich mir zuviel Sorgen um meine
Gesundheit? Um Geld? Um die Arbeit? Um Liebe und Eifersucht? Um die
Zukunft? Darüber, was andere Leute denken?
Viele von uns sind Opfer ihrer Ängste und Sorgen. Normale Angst ist
gesund und ein natürliches Warnsignal. Wir müssen jedoch lernen, mehr
Vertrauen zu entwickeln. Wir können uns ganz einfach für die
Möglichkeit öffnen, daß die Dinge sich positiv entwickeln werden. Dazu
müssen wir nicht blind für die negativen Seiten sein. Wir müssen
lediglich aufhören, unseren Blick nur auf sie zu richten. Keiner wird
uns jemals beweisen können, daß es letzten Endes sicher ist, Vertrauen
zu haben.
Unsere Ängstlichkeit als solche ist das Problem, nicht die jeweilige
Angst. Durch das Vertrauen in unsere Höhere Macht geben wir der
Ängstlichkeit weniger Raum, wenn uns auch ein paar Ängste bleiben.
Heute will ich offen dafür sein, mehr über Vertrauen zu lernen.
(Alle Texte aus: Berührungspunkte. Tägliche Meditationen
für Männer. Hazelden. Heyne.
Siehe
Copyright.)
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