21. Juni
Im Leben des Indianers gibt es nur eine unumgängliche Pflicht: die
Pflicht des Gebets - des täglichen Erkennens des Unsichtbaren und des
Ewigen. Für ihn besteht keine Notwendigkeit, von sieben Tagen einen für
heilig zu erklären, denn für ihn sind alle Tage Gottes Tage.
Ohiyesa, Santee Dakota
In der Vergangenheit bestand eine unserer Schwierigkeiten in unserer
naiven Arroganz. Wir wollten nicht anerkennen, was außerhalb unserer selbst
liegt. Alles, was jenseits des Greifbaren und Sichtbaren ist, blieb uns
verborgen.
Wir waren skeptisch, wissenschaftsgläubig, egozentrisch, leistungsorientiert
und unreflektiert. Es war, als wären wir ständig mit Höchstgeschwindigkeit
auf der Landstraße gefahren, ohne einen Blick auf das reiche Leben rechts
und links von der Straße zu werfen. Wenn wir einmal anhielten, hatten
wir plötzlich Zeit, die Wiesen am Straßenrand zu erkunden, den Duft der
Gräser einzuatmen, die Vögel singen zu hören und all die kleinen Dinge
zu beobachten: ein Ameisenvolk bei der Arbeit oder ein Eichhörnchen, das
von Ast zu Ast springt. Um an eine Macht zu glauben, die größer ist als
wir, brauchen wir nur unsere Sichtweise zu verändern. Durch Offenheit
für das Spirituelle finden wir diesen Glauben. Wir müssen nichts erzwingen,
sondern nur bereit sein, zur Ruhe zu kommen und einfach wahrzunehmen.
Letztlich ist jeder Augenblick heilig.
Heute bitte ich darum, von Augenblick zu Augenblick leben zu können.
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22. Juni
Mein Vater hat mir nicht gesagt, wie man lebt.
Er hat selbst gelebt, und ich durfte ihn dabei beobachten.
Clarence Budington Kelland
In Bezug auf unsere Rolle als Mann haben wir vieles von Vorbildern
gelernt. Andere Männer, aber auch unser Vater, waren ein Vorbild für uns.
Manche von uns erinnern sich gern an die Nähe, die sie zu ihrem Vater
verspürten und daran, ihm nacheifern zu wollen.
Oft haben wir allerdings den Eindruck, daß unsere Vorbilder gespaltene
Persönlichkeiten sind. Das läßt sich vielleicht dadurch erklären, daß
unser Vater zu weit entfernt von uns war oder wir sein Verhalten teilweise
abgelehnt haben. Aus diesem Grund wurden wir in unserer Rolle als Mann
stark verunsichert, und wir machen uns Vorwürfe für etwas, das wir gar
nicht besser wissen können. Dann ermutigt es uns, wenn wir uns klarmachen,
wieviel wir als Erwachsene schon dazugelernt haben. Es ist nie zu spät!
Kein Mann kann jemals allein durch das Wissen wirklich erwachsen werden,
das er von seinem Vater übernommen hat.
Wir haben die Möglichkeit, nach weiteren männlichen Vorbildern in unserer
Umgebung zu suchen. Zuerst bewundern wir eine bestimmte Eigenschaft an
einem Menschen. Daraufhin lernen wir ihn immer besser kennen. Auf diese
Weise führen wir die menschliche Tradition fort, in der einer vom anderen
lernt.
Ich entwickle mich immer weiter.
Ich kann von allen Männern lernen, die ich kenne.
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23. Juni
Wer seine Krankheit verheimlicht, kann keine Heilung erwarten.
Äthiopisches Sprichwort
Verheimlichen und Verdrängen sind manchen von uns zur zweiten Natur
geworden. Wir dachten vielleicht, unsere Männlichkeit mache uns zu Einzelgängern.
Manchmal haben wir uns eingeredet, wir handelten aus Rücksicht auf andere
Menschen, wenn wir ihnen die Wahrheit vorenthielten. Unsere Angst vor
den möglichen Konsequenzen hinderte uns daran, die Wahrheit zu sagen.
Vielen von uns kam unwillkürlich eine Lüge schneller auf die Zunge als
die Wahrheit.
Jetzt sind wir dabei zu lernen, offen zu unseren Freunden zu sein. Wir
spüren die heilsame Wirkung unserer Ehrlichkeit. Obwohl es uns vielleicht
in Angst und Schrecken versetzt, wenn wir die Wahrheit plötzlich nicht
mehr beschönigen, spüren wir doch die Kraft der Aufrichtigkeit und erfahren,
was es heißt, mit den Konsequenzen der Wahrheit zu leben. Wahrscheinlich
gibt es immer noch Geheimnisse in unserem Leben, die unserer vollständigen
Genesung im Wege stehen. Wenn das so ist, müssen wir auch sie ans Licht
bringen, damit wir ein absolut aufrichtiges Leben führen können. Wenn
wir anderen Menschen zeigen, wer wir wirklich sind, werden wir seelisch
immer gesünder.
Heute will ich Fortschritte in meiner Genesung machen,
indem ich mich selbst ganz zu erkennen gebe.
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24. Juni
Das einzige wirkliche Übel ist das Fehlen von Liebe.
John Robinson
Schuldgefühle und Selbsthaß sind spirituelle Probleme. Wenn solche
Gefühle in uns aufsteigen, müssen wir uns unserem Programm zuwenden. Dort
erwartet uns Hilfe. Anfangs, in den frühen Stadien unserer Genesung, fühlten
wir uns vielleicht schuldiger als je zuvor. Das hatte damit zu tun, daß
wir anfingen, ehrlicher mit unseren wahren Gefühlen umzugehen. Vielleicht
schämten wir uns für unsere Schuldgefühle, und das machte alles noch schlimmer.
Der Kern unseres Problems ist die mangelnde Liebe zu uns selbst. Wir können
nicht durch Willenskraft zu Menschen werden, die sich selbst lieben. Aber
wir können aufhören, mit dem Willen alles erreichen zu wollen und uns
statt dessen ganz einfach der Fürsorge eines liebenden Gottes anvertrauen.
In manchen Augenblicken fühlen wir uns alles andere als liebenswert und
dürfen die Liebe doch nicht zurückweisen. Vielleicht kommt die Liebe Gottes
in Gestalt eines besorgten Freundes oder liebevollen Partners auf uns
zu. Liebe offenbart sich auch in einem sonnigen Tag oder im Lächeln eines
Kindes. Wenn wir uns dem öffnen, machen wir einen Sprung in die Welt des
Spirituellen, die wir nicht geschaffen haben und nicht kontrollieren können.
Sie ist es, die die Kraft für unsere Heilung in sich birgt.
Heute will ich die Liebe annehmen, die auf mich zukommt und mich
lehrt, mich selbst zu lieben.
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25. Juni
Manche Menschen begrüßen den Morgen mit einem fröhlichen Lachen.
Normaler ist es jedoch, ihm schläfrig zu begegnen. "Wer hat dich gebeten
zu kommen?" möchten wir dann am liebsten sagen, als wäre der Morgen ein
höchst unwillkommener Gast.
Brendan Francis
Wir fangen mit der Wahrheit an und bauen auf das sichere Fundament,
das sie schafft. Oft hören wir, wir sollten eine positive Einstellung
haben und wir sollten dankbar sein für den neuen Tag. Manchmal sind wir
vielleicht enthusiastisch über einen beginnenden Tag - und es ist schön,
wenn dies so ist. Aber wir brauchen diese Freude nicht zur Pflicht werden
zu lassen, denn jedes Soll entfernt uns von unseren wahren Gefühlen. Wir
müssen wissen: Jedes Gefühl ist in Ordnung, was immer es sein mag. Unsere
gesamte Gefühlsskala in ihrer Vielfalt und Intensität ist uns von unserem
Schöpfer geschenkt worden. Wir müssen uns lediglich all unseren Gefühlen
stellen. Wir müssen lernen, mit ihnen umzugehen und auf sie zu reagieren.
Wir beginnen damit, sie so wahrzunehmen, wie sie sind. Wir haben zwar
keinen Freibrief dafür, immer das zu tun, wonach wir uns fühlen, aber
auf jeden Fall dafür, das zu fühlen, was wir fühlen. Dieser Grundsatz
der Aufrichtigkeit ist eine solide Basis für weiteres Wachstum. Oft fühlen
wir uns allein dadurch besser, daß wir unsere Gefühle zulassen.
Heute will ich meine wahren Gefühle zulassen und sie als Sprungbrett
für meine Entwicklung nutzen.
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26. Juni
Gott ist nah bei mir - oder vielmehr in mir.
Und doch kann es sein, daß ich weit von Gott entfernt bin,
weil ich weit von meinem wahren Selbst entfernt bin.
C. E. Rolt
Unsere Beziehung zu Gott und die Beziehung zu uns selbst sind miteinander
verwoben. Manchmal fühlen wir uns von uns selbst entfremdet und oberflächlich.
Dann ist die Verbindung zu unserem tieferen Ich blockiert, meist durch
unsere Angst vor der Auseinandersetzung mit einer schmerzlichen Wahrheit.
In solchen Zeiten suchen wir wie Blinde nach irgendeinem Halt und Kontakt
und fragen uns vielleicht sogar: "Wo ist Gott?"
Gott ist immer bei uns, aber manchmal stehen wir selbst auf der Vermißtenliste.
Die meisten von uns haben eine Vergangenheit, in der sie sich selbst und
ihrer Höheren Macht sehr fremd waren. Die ersten Augenblicke unseres spirituellen
Erwachens waren wahrscheinlich die, in denen wir erkannten, wie weit wir
uns von unserem wahren Selbst entfernt hatten. Diese ehrliche Botschaft,
die wir uns selbst zuteil werden ließen, war zwar schmerzhaft, aber durch
sie fanden wir wieder zu der Wahrheit, die es uns ermöglichte, Gott zu
finden.
Ich brauche nicht zu fragen: "Wo ist Gott?",
denn Gott ist voller Liebe, und er ist immer da.
Ich brauche nur zu fragen: "Wo bin ich?"
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27. Juni
Der Schauder der Ehrfurcht ist das Beste am Menschen.
Goethe
Eine spirituelle Erfahrung liegt darin, etwas anzuerkennen und sich
von etwas berühren zu lassen, das viel größer ist als wir selbst, das
unseren Verstand überschreitet und einer unerklärlichen Dimension angehört.
Eine solche Erfahrung kann uns überkommen, wenn wir am Ufer eines sich
windenden Flusses stehen, eine wunderbare Musik hören, in der Bibel lesen
oder gemeinsam beten.
Sobald wir unsere Abwehr, unseren Durchsetzungswillen und unsere Forderungen
aufgeben und uns von dem berühren lassen, was uns begegnet, werden wir
offen für eine erweiterte Realität. Ehrfurcht bringt das Beste im Menschen
hervor, weil Ehrfurcht Respekt und Dankbarkeit in uns hervorruft. So wird
unser Geist in Sphären versetzt, die man nicht mit Worten beschreiben
kann. Wenn wir einmal erkannt haben, wodurch bei uns das Gefühl der Ehrfurcht
erweckt wird, können wir immer wieder Ehrfurcht empfinden. Je mehr Gespür
wir für sie bekommen, desto offener werden wir für die alltäglichen Bereiche
unseres Lebens.
Heute ist es möglich, daß ich von Ehrfurcht ergriffen werde - in der Natur,
beim Anblick eines Vogels, durch die Unbekümmertheit eines Kindes oder
in der Stille des Tischgebets.
Heute will ich Augenblicke der Ehrfurcht empfinden.
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28. Juni
Wir haben genausoviel Angst, unser Potential auszuschöpfen, wie
zu versagen. Wir fürchten uns ganz allgemein davor, das zu erreichen,
was uns einen kurzen Augenblick lang möglich erscheint.
Abraham Maslow
Im täglichen Leben träumen wir vielleicht von Ruhm und Erfolg. Am Arbeitsplatz
zeigen wir Ehrgeiz und Leistungswillen. Wir gehen zu unseren Meetings
und geben unser Bestes beim Erarbeiten eines jeden einzelnen Schrittes,
um zu einem besseren Leben zu finden. Wenn sich der Erfolg einstellt,
stehen wir völlig unerwartet einem neuen Problem gegenüber. Es erschreckt
uns zutiefst, Glück zu erfahren, über das wir keine Kontrolle haben. Eine
Glückssträhne, der Erfolg harter Arbeit oder unerwartete Hilfe von Freunden
kann uns zutiefst verunsichern.
Unserem Erfolg gegenüber sind wir genauso machtlos wie gegenüber unseren
größten Schwächen. Das einzige, was wir tun können, ist, uns selbst treu
zu bleiben und unsere Pflicht zu tun. Der Erfolg, der aus unserer Arbeit
erwächst, kommt und geht. Weil wir ihn nicht festhalten können, fühlen
wir uns ausgeliefert. Wieviele Menschen haben schon Erfolge und Erfolgschancen
zerstört, weil sie das Gefühl der Ohnmacht angesichts des plötzlichen
Erfolgs nicht ertragen konnten! Wir müssen uns unserem Programm zuwenden
und lernen zuzulassen, daß Erfolg nach seinen eigenen Gesetzen kommt und
geht.
Heute wende ich mich an meine Höhere Macht
und bitte um ihre Hilfe, Erfolg annehmen zu können.
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29. Juni
Eine anständige Empörung weckt alle Kräfte eines Menschen.
Ralph Waldo Emerson
Wut ist ein menschliches Gefühl, das uns mit unserer Energie und Vitalität
in Berührung bringt. Aber wie jede an sich gute Sache kann auch diese
Berührung schmerzhaft sein. Wenn wir darüber nachdenken, welche Rolle
Ärger und Wut bisher in unserem Leben gespielt haben, werden wir erkennen,
daß wir beides benutzt haben, um andere Menschen einzuschüchtern oder
zu beherrschen. Vielleicht erinnern wir uns auch an die Wut eines anderen
Menschen - oder sogar an unsere eigene - die uns zutiefst erschreckt hat.
Manche von uns sind dazu übergegangen, ihre Wut zu verleugnen oder sie
hinter übermäßiger Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit zu verstecken.
Wenn wir die Rolle untersuchen, die Wut in unserem Leben gespielt hat,
so liegt darin eine der Hürden, die wir überwinden müssen, um wahre Männlichkeit
und Reife zu erlangen. Wir müssen lernen, den Ärger aufzuspüren, der dazu
diente, Angst und Verletzungen zu kaschieren. Wir müssen lernen, in Beziehungen
unseren Arger ehrlich und respektvoll zum Ausdruck zu bringen. Das muß
nicht verletzend sein. Vielmehr drückt es aus, daß uns die Beziehung und
die Angelegenheit wichtig genug ist, um sich damit zu beschäftigen. Wir
können lernen, auch die Wut anderer anzunehmen, anstatt ihnen aus dem
Weg zu gehen oder sie davon abzuhalten, das zu sagen, was sie sagen wollen.
Wenn wir uns diesem Prozeß stellen, spüren wir neue Energien und fühlen
uns gesünder, weil wir einen größeren Teil unserer Person aktiviert haben.
Heute will ich zuerst mir selbst gegenüber ehrlich sein,
wenn ich Ärger aufkommen spüre.
Und dann will ich Wege finden, meinen Ärger angemessen auszudrücken.
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30. Juni
Nichts ist so einfach wie Kritik. Es gehört nicht viel dazu zu erkennen,
daß etwas nicht richtig läuft, aber es bedarf einigen Scharfsinns herauszufinden,
was die Sache wieder ins Lot bringen kann.
Will Rogers
Wir können wählen, ob wir für oder gegen eine Sache sind. Wollen wir
unsere Energie in die Dinge investieren, die wir anstreben und bewundern,
oder sollen wir sie im Widerstand gegen das verschwenden, was wir ablehnen?
Wenn jemand uns um einen Gefallen bittet, können wir uns entweder verschließen
oder uns auf ihn einlassen und abwarten, was geschieht. Wir haben die
Wahl: Dauernd Kritik zu üben, wenn uns etwas frustriert, oder uns ein
klares Bild davon zu machen, wie die Sache funktionieren könnte, und was
wir eigentlich wollen.
Jede Kritik kann hilfreich sein - vor allem im
Anfangsstadium unseres Lebens -, aber Kritik birgt auch die Gefahr in
sich, daß kein Risiko mit ihr verbunden ist und wir uns deshalb in Sicherheit
wiegen können. Dieses Gefühl der Sicherheit hindert uns daran, wirklich
kreativ zu sein. Negative Energie bringt negative Ergebnisse hervor, wenn
wir uns von ihr verführen lassen. Heute wollen wir rückblickend die Situationen
anerkennen, in denen wir den Mut hatten, etwas Positives zu schaffen.
Heute will ich meine Energien nicht in Kritik investieren,
sondern dafür einsetzen, etwas zu schaffen, woran ich glaube.
(Alle Texte aus: Berührungspunkte. Tägliche Meditationen
für Männer. Hazelden. Heyne.
Siehe
Copyright.)
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