11. Mai Farbenfeuer von Milla Breuer

Es gibt im Leben keine Abkürzungen.
Bis zum Ende unserer Tage ist das Leben eine Lektion, die wir nie vollkommen gelernt haben.
Harrison E. Salisbury

 
 
Es gibt keine perfekten Tage. Wie hart haben wir gegen diese Wahrheit angekämpft! In unserer fordernden Art wollten wir nicht wahrhaben, daß das Leben ein Prozeß ist. Wir wollten immer wissen, wo wir ankommen. Wir haben uns gegen den Dialog und den Lernprozeß aufgelehnt, der in der Erfahrung liegt. Wir strebten nach Perfektion. Sogar jetzt, auf unserem Weg zur Genesung, sehnen wir uns danach, alles "richtig" zu machen. Wir lernen und reifen weiterhin, aber was wir lernen, ist nicht das, was wir erwartet hatten. Wir bedauern, erst so spät zu lernen. Doch dann machen wir weiter und lernen immer mehr dazu.
Während wir in unser Programm hineinwachsen, lernen wir, wie man lernt. Wir akzeptieren das Leben als einen Prozeß, in dem es keine Abkürzungen für die Wahrheit gibt. Wir lernen, uns für den Prozeß selbst zu engagieren und akzeptieren, daß es normalerweise keine richtige oder falsche Antwort auf unsere Suche gibt.

Heute möchte ich die Wahrheit annehmen können, die mir durch die Erfahrung zuteil wird und ihre Unvollständigkeit akzeptieren.

[Zurück]

12. Mai

In meinem Freund finde ich mein zweites Ich.
Isabel Norton

Unsere Partner und engen Freunde eröffnen uns eine weitere Perspektive dessen, was es bedeutet, Mensch zu sein.
Wenn wir einander nah sind, überwinden wir unsere persönlichen Schranken und bekommen ein Gefühl dafür, wie das Leben aus der Perspektive eines andern aussieht. Wir entwickeln Mitgefühl für andere und vervielfältigen unsere Lebenserfahrung, indem wir an den Erfahrungen anderer teilnehmen.
Durch unsere Nähe zu anderen Menschen gelangen wir zu einem höheren Bewußtsein unserer selbst. Vielleicht entdecken wir etwas an uns, das wir zuvor nicht sehen wollten oder das wir ablehnten. Vielleicht erkennen wir auch, wie ähnlich wir unseren Freunden sind - oder wie anders wir sind als sie. Vielleicht erkennen wir plötzlich, wie menschlich unser Problem ist. Jeder lebt sein Leben allein. Mitgefühl öffnet jedoch ein neues Fenster zum Leben. Einen Freund zu haben, ist eine wertvolle Erfahrung, die unserer Lebensweisheit zugute kommt.

Ich bin dankbar für meine Beziehungen.
Ich fühle mich beschenkt durch die Tatsache, daß ich nicht allein bin.

[Zurück]

13. Mai

Solange du einen Freund nicht hochkommen läßt, mußt du mit einem Teil deiner Person unten bleiben, damit du ihn dort festhalten kannst. Das heißt aber, daß du dich nicht zu den Höhen emporschwingen kannst, die du normalerweise anstrebst.
Marion Anderson

Manchmal lassen wir uns von unseren Abneigungen fesseln. Wir sagen zum Beispiel: "Ich will keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern, bis sie das tun, was ich von ihnen erwarte." Oder wir lassen einen Freund links liegen, weil wir von ihm eine Entschuldigung erwarten. Das macht uns nur verkrampfter, eingeschränkter und nimmt uns unsere eigene Lebensfreude, weil wir unsere Erwartungen an einen anderen Menschen knüpfen.
Unser Leben kann jedoch viel reicher und erfüllter sein, wenn wir solche Erwartungen aufgeben. Wir wollen andere Menschen nicht länger manipulieren und ihnen ein ganz bestimmtes Verhalten aufzwingen, denn Manipulation und Zwang machen das Leben langweilig und eng.
Kein anderer Mensch braucht uns jemals im Wege zu stehen und unsere Freude darüber, daß wir erwachsene Männer sind, beeinträchtigen.

Heute will ich nichts von anderen fordern.
Das macht mich frei, meine eigenen Höhen zu erreichen.

[Zurück]

14. Mai

Oft bringt die Weisheit des Körpers Klarheit
in die Verzweiflung des Geistes.
Marion Woodman

Die Einheit von Körper und Geist wird uns klarer, wenn wir lernen, auf die Botschaften zu hören, die uns unser Körper vermittelt. Wenn wir öfter erkältet sind, wollen wir vielleicht nicht wahrhaben, daß wir entmutigt sind und Trost für unsere Seele brauchen. Wir alle kennen Beschwerden wie Schlaflosigkeit, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Allergien.
Dies alles sind Probleme, die mit dem Menschlichsein zusammenhängen. Wenn wir uns der Dimension des Geistes öffnen, achten wir auf die Botschaften unseres spirituellen Ichs. Vielleicht spüren wir gerade heute eine Muskelverkrampfung oder einen körperlichen Schmerz, der uns etwas über unsere tieferen Gefühle sagen kann. Eine solche Botschaft ist anfangs oft undeutlich: spirituelle Botschaften bringen keine schnellen Lösungen. Wenn wir jedoch eine Weile bei unseren Fragen bleiben, werden die Antworten allmählich klar. Es stärkt uns, für diese Botschaften empfänglich zu sein. Sie erweitern unser spirituelles Bewußtsein.

Heute lerne ich, auf die Weisheit meines Körpers zu hören.

[Zurück]

15. Mai

Wenn du weder kämpfen noch fliehen kannst, fließe!
Robert Eliot

Zu oft kam es vor, daß wir Männer nur eine Lösung kannten: gewinnen. Unsere Freundschaften sahen wir unter dem Aspekt der Konkurrenz - und so konnten wir unser ständiges Mißtrauen nicht ablegen.
Wir haben das Leben als etwas angesehen, das man erobern muß und nicht als etwas, an dem man sich freut. Und so war unser erster Impuls immer: kämpfen und siegen!
Viele von uns haben das Leben wie ein Spiel betrachtet, in dem es nur Sieger und Verlierer gibt. Die tiefere Bedeutung einer jeden Erfahrung haben wir dabei übersehen. Und so mußten sich viele von uns als Verlierer vorkommen.
Wir alle haben schon einmal die Erfahrung gemacht, daß uns eine Situation überwältigt. Dieser Augenblick mag uns als Niederlage erscheinen, es sei denn, wir lassen es zu, daraus eine völlig neue Sichtweise zu entwickeln.
Wenn wir mit einer Situation fließen können - die sich ohnehin nach ihren eigenen Gesetzen entwickelt - haben wir einen Schritt in Richtung Reife getan. Wir können erleichtert aufatmen, denn viel Anspannung in unserem Leben fällt weg, wenn wir mit jedem Augenblick fließen, anstatt ihn bestimmen zu wollen.

Heute will ich ein neues Spiel üben. Es heißt: "Mit dem Leben fließen."
Dies verhilft mir, mein Bewußtsein für das Leben zu erweitern.

[Zurück]

16. Mai

Die Arbeit wird dich lehren, wie man sie tut.
Sprichwort aus dem Estland

Unser spirituelles Programm lernen wir wie Fahrradfahren oder Schwimmen, niemals aber dadurch, daß wir ein Buch darüber lesen. Wir lernen es nur, indem wir es tun und andere in ihrem Tun nachahmen.
Als wir zu diesem Programm kamen, dachten wir vielleicht: "Oh, das verstehe ich, das werde ich nach zwölf Meetings beherrschen."
Viele Menschen haben Schwierigkeiten zu vertrauen. Daher versuchen sie, alles ganz genau zu verstehen, bevor sie sich darauf einlassen. Aber solange wir versuchen, immer alles schon vorher zu klären, nehmen wir nicht an dem Geschehen teil und betrachten die Dinge lediglich von außen.
Wenn wir aber die praktischen Schritte unseres Programms vollziehen - die Bestandaufnahme unseres Inneren, unser Schuldbekenntnis, das Gebet um die Führung unserer Höheren Macht, Botschaften anzunehmen, die Wahl eines Sponsoren - lernen wir, was für unsere spirituelle Genesung wirklich wichtig ist.

Heute will ich das Risiko auf mich nehmen,
dadurch zu lernen, daß ich ein spirituelles Leben führe.

[Zurück]

17. Mai

Was wäre das für ein Gott, der nur von außen Druck auf uns ausüben würde?
Goethe

Wie wir Druck und Verpflichtungen hassen! Wir werden ärgerlich und wehren uns, wenn jemand Druck auf uns ausübt. Wer mag das schon!
Manchmal ist es Gott, der uns den Druck spüren läßt, aber erst nach einer Weile sind wir uns klar, daß er es ist, der uns drängt. Unsere natürliche Reaktion besteht darin, Widerstand zu leisten und unsererseits Druck auszuüben.
Wer immer wieder unter Kopf- oder Bauchschmerzen leidet, sollte vielleicht auf die Botschaft hören, die in diesem Schmerz verborgen liegt.
Ein Gefühl der Rastlosigkeit im Leben - was Frauen, Geld, die Gesundheit oder die Arbeit betrifft - kann eine solche Botschaft sein. Gott übt von innen Druck auf uns aus.
In unserem Programm versuchen wir einen Sinn dafür zu entwickeln, was Gottes Wille für uns ist. Manchmal enthält ein Problem eine spirituelle Botschaft. Wenn wir aufhören, Widerstand zu leisten und anfangen hinzuhören, werden wir bald stärker und weiser.

Gottes Botschaft ist nicht immer deutlich.
Heute will ich versuchen, keinen Widerstand zu leisten,
damit sich mein Blick für Gottes Botschaft klärt.

[Zurück]

18. Mai

Man sollte lernen, sich am Garten seines Nachbarn zu freuen, so klein er auch sein mag: an den Rosen, die über den Zaun ragen und am Duft des Flieders, der herüberweht.
Henry van Dyke

Um uns herum gibt es viel Schönes, das wir leicht übersehen, solange wir mit unseren Sorgen, Ängsten und Pflichten beschäftigt sind. Wir klagen darüber, wie sehr unser schnellebiger Lebensstil uns erschöpft. Wir sind überzeugt, daß uns nichts geschenkt wird, wenn wir es nicht selbst anpacken.
Der Lebenskampf und seine Frustrationen vereinnahmen uns so, daß wir nicht sehen, wieviel Gutes für uns da ist, ohne daß wir uns dafür anstrengen müssen. Wieviel Positives sehen wir in unserer Umgebung, wenn wir uns jetzt einmal umschauen?
Scheint vielleicht die Sonne? Regnet es nach einer langen Trockenperiode? Hat sich ein Freund unerwartet wieder gemeldet? Ist der Berufsverkehr weniger stockend als gewohnt?
Wir haben ein Anrecht auf dieses Glück. Wir dürfen nicht sagen: "Gott meint es gut mit mir, wenn ich Glück habe" und "Gott ist böse mit mir, wenn ich Pech habe". Vielmehr können wir anerkennen, daß es immer wohltuende Kräfte in unserem Leben geben wird, die uns unterstützen und heilsam auf uns wirken. Wir müssen uns nur die Zeit nehmen, uns an ihnen zu erfreuen!

Heute will ich mir ein paar ruhige Minuten gönnen,
um die guten Dinge zu sehen, die auf mich zukommen.
Ich will dankbar dafür sein.

[Zurück]

19. Mai

Die Welt ist voller Menschen, die nach spektakulärem Glück suchen,
während sie über Zufriedenheit verächtlich die Nase rümpfen.
Doug Larson

Wir sind auf der Suche. Wir streben nach der Ruhe, die es uns ermöglicht, uns selbst und die Welt liebevoll zu behandeln. Unsere praktischen, spirituellen Schritte sind sehr persönlicher Natur und vollziehen sich in aller Stille. Sie sind weder spektakulär noch atemberaubend. Wir gehörten zu den Menschen, die nach Abenteuern gesucht haben. Wir wissen, wie entlastend es sein kann, anderen aus ihren Schwierigkeiten zu helfen oder sich in Arbeit und Aktivitäten zu stürzen. Viele von uns kennen das wohltuende Gefühl eines Drogen- oder Essensrausches.
Vielleicht haben wir uns auch in so aufregenden Dingen wie Glücksspiel, Ladendiebstahl oder sexuellen Ausschweifungen verloren.
Der Lebensstil, den uns dieses einfache Programm vorschlägt, bewirkt tiefe Veränderungen in uns, wenn wir es wirklich befolgen. Unser spiritueller Weg verändert uns ganz allmählich im Laufe der Zeit, und unser Lohn ist Zufriedenheit. Er bewirkt eine Freude und ein Wohlbefinden, das weit befriedigender ist als die Augenblicksfreuden, die wir in der Vergangenheit gesucht haben.

Heute bin ich dankbar für die Lebensweise,
die mir Zufriedenheit schenkt und auf die ich mich verlassen kann.

[Zurück]

20. Mai

Die Wahrheit ist eine zurückhaltende Dame ...
viel zu lady-like, um dir auf die Schulter zu klopfen und dich zu beschlagnahmen. Sie ist da, aber die Menschen müssen sie wollen und sich zu ihr bekennen.
William F. Buckley, jun.

Während wir eine immer tiefere, verläßlichere Freundschaft zu uns selbst entwickeln, erfahren wir unsere persönliche Wahrheit durch Ahnungen und durch das Echo unseres Gefühls. In alten Schriften wird es die "stille, kleine Stimme" genannt. Normalerweise spüren wir diese innere Botschaft irgendwo in unserem Körper. Manche sagen, es ist ihr Herz, das zu ihnen spricht. Andere vernehmen ihre innere Stimme mit ihrem Gehör, ihrer Schulter oder ihrem Bauch. Wenn wir uns zu sehr darauf konzentrieren, zu denken und zu fühlen, was die Allgemeinheit für richtig hält, nehmen wir unsere innere Stimme nicht mehr wahr. In diesem Fall hat sie keine Chance, sich zu entwickeln. Die innere Stimme ist nie übermäßig laut. Sie ergreift auch keine Initiative. Sie fordert Stille und Respekt, damit man sie wahrnehmen kann.
   Wenn wir unsere Zwölf Schritte befolgen, lernen wir, regelmäßig mit der stolzen Dame, die unsere innere Wahrheit ist, Kontakt aufzunehmen und von ihrer Weisheit zu lernen. Je mehr wir ihr zuhören, je mehr wir sie respektieren, desto größer wird unsere Weisheit.

Ich werde der ganz persönlichen Weisheit lauschen,
die mir meine kleine, innere Stimme zuflüstert.


(Alle Texte aus: Berührungspunkte. Tägliche Meditationen für Männer. Hazelden. Heyne.
Siehe Copyright.)


[Zurück]